Wann bekommt Österreich sein Folsäuregesetz?
Folsäure, auch Vitamin B9 oder Pteroylglutamat genannt, ist ein hitze- und lichtempfindliches sowie wasserlösliches Vitamin und kommt in allen lebenden Zellen vor. Besonders reich an Folsäure sind Lebensmittel wie Blattgemüse, Leber, Karotten, Marillen, Bohnen, Avocados, Roggenmehl, Weizenkeime und Kürbis, aber auch Spinat und Kartoffeln. Schwangere haben, weil sie neue Zellen bilden müssen fortwährend während der 9 monatigen Schwangerschaft, einen erhöhten Bedarf an Folsäure. Doch dieser erhöhten Aufnahme werden die meisten Schwangeren nicht gerecht. Aus diesem Grund kommt es auch nicht von ungefähr, dass ÖVP und SPÖ im österreichischen Bundestag eingebracht haben Mehlanreicherungsgesetz zu genehmigen.
Der Gesetzentwurf dafür wurde schon im Jahr 2007 vorgelegt, aber dem österreichischen Nationalrat bisher noch nicht als Regierungsvorlage zugeleitet und daher auch noch nicht in den europäischen Konsultationsmechanismus eingebracht. Doch auch dies würde dann sicherlich einige Jahre dauern bis das entsprechende Gesetz verabschiedet wird. Und ob Österreich dieses Gesetz dann auch gleich umsetzt, ist fraglich. Immerhin gibt man in Brüssel den Ländern dann eine gewisse Frist.
Grundsätzlich regeln soll dieses Gesetz die Anreicherung von Mehl mit Folsäure und Vitamin B12. Hintergrund des Antrages aus Österreich ist, dass Jahr für Jahr in diesem Land trotz bester Vorsorge 50 bis 70 Babys mit Spina bifida – also einem dauerhaftem Handicap – geboren werden. Diese Fehlbildung zieht Lähmungen der Beine und Störungen bei der Steuerung der Blasen- und Darmfunktion nach sich. Und Grund für diese Fehlbildung ist eindeutig ein Folsäure-Mangel bei der werdenden Mutter schon in den ersten Schwangerschaftswochen, also noch bevor die Frau überhaupt etwas von ihrer Schwangerschaft ahnt. Aus diesem Grund wäre vor allem vor und während der Schwangerschaft eine ausreichende Folsäure-Versorgung der werdenden Mutter. Natürlich kann man sagen, dass für mögliche Fehlbildungen beim Kind die Mutter selbst die Verantwortung trägt, weil sie sich nicht ausgewogen ernährt hat.
In den USA bereits bewährt
Die USA sind der EU da schon um einiges voraus. Denn dort wird im Mehl bereits eine Folsäure-Anreicherung vorgenommen. Und dies führte dort auch schon zu einer deutlichen Reduktion von Spina bifida. Gleiches gilt für Kanada und für Chile. Erste Erfahrungen gibt es in diesen Ländern auch bereits. In den USA sank die Zahl der Spina bifida Fälle um 20 bis 50 Prozent. Doch möglicherweise beruht dieser starke Rückgang auf dem hohen Anteil der Latino-Bevölkerung in den USA. Denn diese Einwanderer sind besser geschützt, da sie traditionell selbst verarbeiteten Mais in der Heimat verzehren, was dazu führt, dass sich Schimmelpilze bilden, was die Zahl der Spina bifida Fälle auch beeinflusst. In den USA und Kanada werden bereits seit 1998 neben Mehl, auch Reis, Zerealien und Fruchtsäfte – insgesamt mehr als 30 Produkte – mit Folsäure angereichert.
Auch positive Auswirkung auf ältere Menschen
Doch eine Folsäureanreicherung des Mehls hätte nicht nur auf Schwangere bzw. die Babys einen positiven Effekt. Auch ältere Menschen wären besser vor Schlaganfällen, Herzinfarkten und Thrombose geschützt. Auch hier kann die EU eigentlich Studien aus den USA nutzen. Denn dort sind nachweislich auch die Zahlen der Schlaganfälle und Herzinfarkte zurückgegangen. Gerade aber mit Blick auf Spina bifida-Fälle geht man in Österreich von einem Rückgang von 50 bis 70 Prozent, wenn die Folsäure-Anreicherung in Mehl eingeführt würde. Zurzeit nehmen Schwangere nur eine Menge von durchschnittlich ca. 200 bis 250 µg, statt der erwünschten 400 µg auf über die Nahrung. Die Experten wissen zur Zeit nicht, warum in dieser Hinsicht so viel Diskussionsbedarf besteht, denn das die Jodierung des Speisesalzes ist schließlich auch längst üblich. In Österreich wird die Jodversorgung so schon seit 1963 verbessert. Bei Jod fordert fordert die WHO dass Erwachsene täglich mindestens 150 µg Jod zu sich nehmen. Bei Schwangeren sind es sogar 250 µg, die empfohlen werden. Inzwischen wurden verschiedene Untersuchungen vorgenommen, die zum Resultat hatten, dass sich die Jodversorgung der österreichischen Bevölkerung seit 1963 verbessert hat.
Bis es zum Gesetz kommt, bleibt die Folsäure-Versorgung in Österreich vor und während der Schwangerschaft also eine reine Privatangelegenheit. Dabei sind schon einige Lebensmittel mit unterschiedlichen Folsäuremengen angereichert, wie Müsli. Doch nicht alle essen diese Lebensmittel regelmäßig. Aus diesem Grund wäre es wirkungsvoller und zielführender, wenn Grundnahrungsmittel wie Mehl bzw. Brot mit Folsäure angereichert werden könnten.