Aufbrauchleiden: Was tun gegen Abnützung der Wirbelsäule und Gelenke?
Als Aufbrauchleiden werden Beschwerden aufgrund von Abnützung der Wirbelsäule, Gelenke und Sehnen durch körperliche Anstrengung oder Alterungsprozesse bezeichnet. Sie gehören zur Gruppe der nicht entzündliche Rheumaerkrankungen und kommen häufig in der Bevölkerung vor. Insgesamt ist Rheuma mit rund zwei Millionen Betroffenen die Volkskrankheit Nr. 1 in Österreich. Im Experten-Interview erklären Prim. Univ. Prof. Dr. Josef Smolen und OÄ Dr. Jutta Müllner Aufbrauchleiden genauer und sagen, was man dagegen tun kann.
Aufbrauchleiden – Experten-Interview
- Video: Experteninterview zu Aufbrauchleiden
- Experteninterview
- Therapie: Was tun bei Aufbrauchleiden?
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Wer von Rheuma spricht, sieht sich einem weiten Feld unterschiedlicher Erkrankungsbilder gegenüber und muss feststellen, dass es sich um einen Überbegriff verschiedenster Krankheiten handelt, die aber einen gemeinsamen Nenner haben: Beschwerden am Stütz- und Bewegungsapparat.
Die Ursachen sind genauso unterschiedlich wie die Ausprägung der Symptome. Aktuell werden 49 verschiedene Krankheiten unter den Oberbegriff „Rheuma“ gereiht. Die Bescherden können von den Gelenken über die Muskulatur, die Knochen, die Wirbelsäule bis zum Herzen, die Auge oder Lunge betreffen.
Aufbrauchleiden – Interview mit Prim. Univ. Prof. Dr. Josef Smolen und OÄ Dr. Jutta Müllner.
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Experteninterview
Dr. Smolen: Wir kennen weit über 200 Diagnosen an rheumatischen Erkrankungen und die sind so mannigfaltig wie der leichte Kreuzschmerz, bis hin zu potentiell tödlichen Erkrankungen, die auch innere Organe betreffen können (z.B. Lupus erythematodes oder Sklerodermie). Das Spektrum ist extrem weit.
Anmerkung: Grundsätzlich werden rheumatische Erkrankungen in zwei große Gruppen unterteilt.
Dr. Smolen: Die nicht-entzündlichen oder Aufbrauchsleiden („Beanspruchungsleiden“) und die Entzündlichen.
Anmerkung: Für beide rheumatische Großgruppen gilt eine goldene Regel: Je früher die Abklärung durch einen Facharzt, desto besser die Behandlungserfolge. Sowohl die Diagnosestellung, wie auch die Behandlung erfolgt stets interdisziplinär. Dabei übernehmen die Rheumatologen meist die Koordination der medizinischen Fachrichtungen und behalten die Übersicht über die verschiedenen Untersuchungsergebnisse. Somit werden sie für die Patienten zum „Medical Manager“ für oft komplexe Erkrankungen.
Wenn sich Patienten mit sogenannten Aufbrauchsleiden in der Ambulanz vorstellen, liegt der Grund oft in Langzeit-Fehlhaltungen oder in der Überanstrengung gewisser Gelenke. So trifft ein Bandscheibenvorfall auch immer öfter jüngere Patienten und ist mittlerweile eine Volkskrankheit.
Dr. Müllner: Wir sehen häufig Patienten mit Bandscheibenproblemen. Der erste wichtige Weg für uns: Gibt es auch ein neurologisches Defizit? Hat der Patient durch eine Vorwölbung der Bandscheibe, die auf eine Nervenwurzel drückt einen sensiblen oder motorischen Ausfall? Wenn es da anhaltende oder auch voranschreitende Defizite gibt ist ein sehr schneller Weg zu einer neurochirurgischen Abteilung gefordert, die dass dann noch einmal begutachten, um zu sehen, ob da nicht eine rasche Operation notwendig ist um diese Wurzel zu entlasten und dann anhaltende neurologische Defizite zu vermeiden.
Anmerkung: Möglichkeiten reichen hier von einfachen Nervenblockaden bis hin zu aufwendigen Gelenksversteifungen. Sind Gelenke jedoch einmal geschädigt, so ist eine Wiederherstellung in den Ursprungszustand kaum zu erreichen.
Dr. Smolen: Eine Arthrose bleibt einem in aller Regel. Dabei handelt es sich um Aufbrauchsleiden der Gelenke und wir haben heute keine Wege diese Veränderung (meistens bei Knorpeln) zu heilen. Wir können so gut es geht versuchen sie zu stoppen, aber den entstandenen Schaden zurückzubewegen, können wir nicht.
Therapie: Was tun bei Aufbrauchleiden?
Grundsätzlich werden rheumatische Erkrankungen in zwei große Kategorien unterteilt, in die entzündlichen Leiden und in die nicht-entzündlichen Aufbrauchsleiden, die Überanspruchungsleiden. In allen Fällen gilt: Je früher die Abklärung durch einen Facharzt erfolgt, desto besser sind die Behandlungserfolge. Denn sind Gelenke einmal geschädigt, ist der Ursprungszustand kaum wieder herzustellen.
Anmerkung: Bei den meisten dieser Probleme kommen zunächst konservative Verfahren zur Anwendung. Im Vordergrund steht der Entzündungsrückgang und eine adäquate Schmerztherapie, infolge eine gezielte Bewegungstherapie und das erlernen richtiger Körperhaltung, schonenden Hebens und Entspannungsübungen.
Dr. Müllner: Auch die NSAR (entzündungshemmende Medikamente) kommen zum Einsatz. Physikalische Therapie ist wichtig. Der Patient muss Turnübungen erlernen um die Wirbelsäule zu schützen und auch Rückenschule erlernen um in Zukunft Bewegungsmuster zu vermeiden, die wieder ein Bandscheibenleiden auslösen könnten.
Anmerkung: Ziel ist es immer eine dauerhafte Schmerz- und Bewegungsfreiheit des Patienten zu erreichen. Gerade hier ist aber die Bereitschaft und die Mitarbeit des Patienten sehr entscheidend. Richtige und ausreichende Bewegung, Gewichtsreduktion und eine gute Körperhaltung tragen oft schon zu großartigen Erfolgen bei.
Bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen hat die Medizin große Fortschritte gemacht: Insgesamt hat die zügige Entwicklung der Medikamentengruppe Biologika dazu beigetragen, dass Operationen immer seltener notwendig sind. „Mit allen Medikamenten und Therapien, die uns jetzt zur Verfügung stehen, können sehr aggressive Krankheitsverläufe gestoppt und auch umgekehrt werden. Wir haben mittlerweile die drei schlimmsten rheumatischen Erkrankungsformen im Griff: die rheumatoide Arthritis, die Psoriasisarthritis und den Morbus Bechterew“, betont Dr. Smolen.
Bei der Behandlung nicht-entzündlich-rheumatischen Erkrankungen geht es bei den vielfältigen medikamentösen und unterstützenden physikalischen Behandlungsmöglichkeiten geht es in erster Linie um:
- Stopp der Gelenkszerstörung
- Linderung der Schmerzen
- den Funktionserhalt des Gelenks
Folgende Arzneimittel wirken entzündungshemmend und schmerzstillend und kommen gegen die Gelenkszerstörung zum Einsatz:
NSAR (nicht-steroidale Antirheumatika): kortisonfreien Rheumamedikamente, die gegen Schmerz und Schwellung, wirken. Sie beeinflussen aber den Krankheitsverlauf nicht.
Kortison: greift in die Entzündungsprozesse ein, indem es das Immunsystem „bremst“.
Basistherapeutika: greifen als Dauermedikation in den Krankheitsverlauf ein und mindern die Gelenkszerstörung.
Biologika: Wenn die Behandlungsmöglichkeiten mit herkömmlichen Basistherapeutika nicht ausreichen, werden sogenannte „Biologika“ eingesetzt.
Nicht-opioide Analgetika (reine Schmerzmittel)
Opioide
Heilgymnastik
Physikalische Therapie
Elektrotherapie
Prim. Univ. Prof. Dr. Josef Smolen
Prof. Dr. Josef Smolen, Abteilungsvorstand der 2. Medizinischen Abteilung im KH Hietzing und der Universitätsklinik für Innere Medizin III (AKH Wien), gehört zu einer der Rheuma-Koryphäen weltweit.
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