Neugeborenen-Screening
Informationen zum Österreichischen Früherfassungsprogramm
In den ersten Tagen nach der Geburt wird in Österreich ein landesweites Neugeborenen-Screening durchgeführt. Es gilt als große Herausforderung, lebensgefährliche Erkrankungen bereits frühzeitig zu erkennen. Oftmals stehen die Heilungs- beziehungsweise Therapiechancen für den kleinen Patienten nur dann gut, wenn entsprechende Maßnahmen möglichst frühzeitig beginnen. Zudem können mögliche akute Organschäden auf diese Weise vermieden werden. Hier erfahren werdende Eltern die wichtigsten Informationen zum Neugeborenen-Screening in Österreich auf einen Blick.
Historische Hintergründe und Prognosen
Das Österreichische Früherfassungsprogramm wurde bereits in den 1960er Jahren entwickelt und realisiert. Als zentrale Anlaufstelle wurde die Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde in Wien seitens des Bundesministeriums für Gesundheit in Kooperation mit dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung eingerichtet werden. An dieser Stelle laufen alle aufgenommenen Daten des Neugeborenen-Screenings zusammen. Neben einer individuellen Auswertung dieser erfolgt auch eine wissenschaftliche Analyse auf anonymer Basis.
Bis dato wurden mehr als 2.600 von angeborenen Erkrankungen betroffene Kinder dank des Screenings diagnostiziert. Für alle in Österreich geborenen Säuglinge ist das Screening kostenlos und umfasst eine umfangreiche Auswahl zahlreicher Krankheiten. Mithilfe des Früherfassungsprogramms konnten beispielsweise angeborene Stoffwechselerkrankungen ausfindig gemacht werden. Sobald ein eventuell positives Ergebnis nach dem Neugeborenen-Screening vorliegt, kann eine professionelle und gleichzeitig innovative Weiterbehandlung in spezialisierten Zentren wie beispielsweise Innsbruck, Salzburg, Graz oder Wien erfolgen. Fragen bezüglich des Neugeborenen-Screenings beantworten beispielsweise der Kinderarzt, der Hausarzt, die Hebamme beziehungsweise Kinderfachärzte an Universitätskliniken.
Warum sind Screening-Untersuchungen empfehlenswert?
Nach Schätzungen auf Basis des aktuellen Wissensstands gehen Mediziner davon aus, dass in Österreich durchschnittlich ein Kind von 800 Neugeborenen an einer angeborenen Störung der Organfunktionen, der Hormone oder des Stoffwechsels leidet. Mithilfe des Neugeborenen-Screenings kann die Früherkennung dieser Erkrankungen gewährleistet werden. Infolge dessen ist ein möglichst frühzeitiger Behandlungsbeginn möglich und es können schwerwiegende Folgeschäden effektiv vermieden werden.
Wird das Neugeborenen-Screening auch bei gesunden Babys durchgeführt?
Das Früherkennungsprogramm wird unabhängig von bisherigen Diagnosen beziehungsweise Untersuchungen durchgeführt. Dies bedeutet, dass auch kerngesunde Neugeborene im Rahmen dieses Programms untersucht werden. Tatsächlich zeigten Studien, dass organische Fehlfunktionen, Hormon- beziehungsweise Stoffwechselstörungen nicht unmittelbar erkennbar sind. Dies hat zur Folge, dass ein Therapiebeginn zum Zeitpunkt des Auftretens erster Symptome meist schon zu spät ist und Folgeschäden nicht mehr zu verhindern sind. Wissenschaftler gehen aktuell davon aus, dass eine möglichst frühzeitige Diagnose derartiger Erkrankung dieses Risiko deutlich minimieren kann.
Ist das Neugeborenen-Screening auch dann notwendig, wenn keine erblichen Vorbelastungen vorliegen?
Studien und Klinikalltag belegen immer wieder auf ein Neues, dass Neugeborene auch dann an angeborenen Störungen erkranken, wenn von elterlicher Seite keine Veranlagung vorliegt. Zudem besteht ein gewisses Restrisiko noch dann, wenn bereits gesunde Geschwisterkinder geboren wurden. In den meisten Fällen trat eine im Rahmen des Neugeborenen-Screenings diagnostizierte Erkrankung noch nie zuvor in der Familie auf.
Zielkrankheiten des Neugeborenen-Screenings
Das österreichische Früherkennungsprogramm fokussiert Hormonstörungen, cystische Fibrosen oder angeborene Stoffwechselerkrankungen.
Zu möglichen Hormonstörungen zählt beispielsweise das adrenogenitale Syndrom (Nebennierenrinde) oder die kongenitale Hypothyreose (Schilddrüsenhormone). Die am häufigsten auftretende Stoffwechselstörung ist die cystische Fibrose. Bei Neugeborenen verläuft diese Erkrankung ohne Symptome. Beginnt eine Behandlung jedoch nicht frühzeitig, kann die cystische Fibrose lebensbedrohliche Folgen haben.
Zu weiteren angeborenen Stoffwechselerkrankungen gehören:
- Aminoazidopathien
- Vitaminstoffwechseldefekte (Biotinidasemangel)
- Carnitinzyklus Defekte
- Fettsäurestoffwechseldefekte
- Kohlenhydratstoffwechselstörungen (Galaktoseabbaustörungen)
- Harnstoffzyklusdefekte
- Organoazidurien
Sind diese Erkrankungen heilbar?
Im Rahmen des Österreichischen Früherkennungsprogramms werden jene Organstörungen beziehungsweise angeborenen Stoffwechselerkrankungen diagnostiziert, die nicht heilbar sind. Der Vorteil einer frühzeitigen Erkennung besteht jedoch darin, Spätfolgen meisten verhindert beziehungsweise gemildert werden können.
Wie läuft das österreichische Neugeborenen-Screening ab?
Das Screening wird mithilfe einer kleinen Blutprobe realisiert. Hierfür eignet sich eine venöse Blutabnahme beziehungsweise ein minimaler Stich in die kindliche Ferse. Es werden lediglich ein paar Bluttropfen benötigt, welche mithilfe einer Filterpapierkarte aufgefangen werden.
Im Wiener Screening Labor der Medizinischen Universität wird die vom Fachpersonal eingesendete Blutprobe auf die Existenz von folgenden Substanzen analysiert:
- Stoffwechselprodukte
- spezielle Eiweißstoffe
- bestimmte Hormone
Wann erfolgt die Blutabnahme?
Die Maßnahme zur Früherkennung angeborener Erkrankungen findet bereits 36 bis 72 Stunden (zweiter bis vierter Lebenstag) nach der Geburt statt. Wird das Spital vorher verlassen, übernimmt ein Hausarzt beziehungsweise Kinderfacharzt das Neugeborenen-Screening. Bei Hausgeburten übernimmt die Hebamme diese Aufgabe inklusive des Versandes der Screening-Karte.
Wann genau erfolgt die Auswertung der Daten?
Die Erstellung des jeweiligen Befundes erfolgt bereits drei bis vier Tage nach Ankunft der Screening-Karte. Eine Kontaktaufnahme durch die zuständige Anlaufstelle erfolgt nur dann, wenn der Befund auffällig ist beziehungsweise technische Fehler vorliegen. Letzteres ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Abnahmezeitpunkt nicht ideal war beziehungsweise sich zu wenig Blut auf der Karte befand. In beiden Fällen wird eine erneute Blutprobe angefordert.
Was geschieht bei einem auffälligen Befund?
Sollte sich eine Blutprobe in Bezug auf eine getestete Erkrankung als positiv entpuppen, beginnt die notwendige Therapie unverzüglich. Oftmals werden die Eltern mit dem Säugling an Spezialabteilungen in Kinderspitäler überwiesen.
Je nach diagnostiziertem Krankheitsbild sind diätetische und/oder medikamentöse Behandlungen notwendig. Beispielsweise benötigen Neugeborene mit einer Schilddrüsenunterfunktion eine spezielle Hormonersatztherapie. Bei anderen Krankheitsbildern sind keine medikamentösen Maßnahmen notwendig, sondern vielmehr kontinuierliche Kontrollen indiziert.