Spermidin – das Nahrungsergänzungsmittel mit Anti-Aging Effekt?
Mehr Vitalität und längeres Leben, Schutz vor Herzerkrankungen, Krebs und Demenz – die Liste der positiven Effekte der köpereigenen Substanz Spermidin ist lang. Doch gibt es auch wissenschaftliche Beweise dafür?
Mehrere Studien scheinen zu bestätigen, dass eine gute Spermidin-Versorgung offenbar unsere Zellen länger jung bleiben lässt. Wir haben uns das Nahrungsergänzungsmittel mit dem seltsamen Namen genauer angesehen und versuchen anhand der aktuellen wissenschaftlichen Informationslage zu klären, ob dieses biogene Polyamin, das in allen Körperzellen vorkommt und eng mit dem Zellwachstum verbunden ist, tatsächlich das Potenzial für ein effektives Anti-Aging-Mittel hat.
Was ist Spermidin?
Spermidin ist eine natürliche Substanz, die grundsätzlich in jeder Zelle des menschlichen Körpers vorkommt. Es handelt sich dabei um eine transparente bis leicht gelbliche Flüssigkeit, deren Namen von der männlichen Samenflüssigkeit abgeleitet ist. Der Umstand, dass die Substanz nach dem menschlichen Sperma benanntwurde, verdankt sie dem Entdecker Philipp Schreiner, der den Wirkstoff bereits 1870 aus menschlichem Sperma isolierte und seine Erkenntnisse 1878 veröffentlichte.
Nachdem sich herausgestellt hat, dass Spermidin nicht bloß in menschlichen Körperzellen vorkommt, sondern vermutlich in allen lebenden Organismen und in allen Körperzellen und damit auch in zahlreichen Lebensmitteln, rückte es langsam in den Fokus der Wissenschaft.
Es hat sich gezeigt, dass Spermidin eng mit dem Zellwachstum, der Zellreinigung und der Zellregeneration verbunden ist.
Der Wirkstoff ist ein wichtiger Faktor bei der sogenannten Autophagie. Bei dem Fachbegriff handelt es sich um jenen zellulären Prozess, der für die allgemeine Zellaktivität von Proteinen entscheidend ist. Die körpereigene Substanz steuert Recycling- und Selbstreinigungsprozesse der menschlichen Zellen, hilft also denn Zellen dabei, alte oder beschädigte Zellteile entsorgen und recyceln zu können.
Bei der Autophagie werden aber nicht nur verbrauchte und nicht mehr benötigte Zellbestandteile, sondern auch Krankheitserreger abgebaut und verwertet.
Dieser Effekt entsteht übrigens auch beim Fasten: Dabei werden die zellulären Selbstreinigungsmechanismen durch den Nahrungsverzicht angeregt. Und fast alle, die schon einmal gefastet haben, berichten von der positiven Wirkung auf ihr körperliches und mentales Befinden.
Mit zunehmendem Alter nimmt die Konzentration von Spermidin jedoch ab, wodurch die körpereigene Müllabfuhr ins Stocken gerät.
Eine Zufuhr von Spermidin könnte die Recycling- und Selbstreinigungsprozesse der menschlichen Zellen wieder aktivieren, so die Vermutung in der Forschung.
Bruneck-Studie: Hohe Spermidin-Zufuhr – niedrigere Sterblichkeit
Die Wissenschaft beschäftigt sich intensiv mit der Substanz Spermidin.
Die Bruneck Studie1,2, bei der seit 1990 über ein Vierteljahrhundert lang etwa 1.000 Einwohner der Stadt Bruneck in Südtirol regelmäßig untersucht (z. B. Blutwerte, Gefäßstatus) und zu Ernährungs- und Lebensgewohnheiten befragt wurden, kam zu einem hochinteressanten Ergebnis: Eine hohe Spermidinzufuhr ging mit einer niedrigeren Sterblichkeit einher.3 So hatten Studienteilnehmer, die täglich mehr als 80 μmol Spermidin zu sich nahmen, ein geringeres Risiko, in dem 20-jährigen Studienzeitraum zu versterben, als diejednigen, die sich spermidinarm ernährten.
Der Überlebensvorteil von spermidinreicher zu spermidinarmer (Konstante Spermidinzufuhr durch Nahrungsergänzungsmittel?
Lässt sich Spermidin dem Körper als Nahrungssupplement zuführen und dabei seine positive Wirkung nutzen?
Anders gefragt, wie ist es um die Bioverfügbarkeit bestellt? Vor allem zur oralen Anwendung von Spermidin beim Menschen ist die Datenlage bisher recht dünn.
Bisherige Untersuchungen am Menschen deuten darauf hin, dass oral eingenommenes Spermidin zu einem großen Teil ausgeschieden, verdaut oder abgebaut wird, bevor es ins Blut gelangen kann.
Damit das zugeführte Spermidin aber überhaupt Effekte erzielen kann, muss die Konzentration in den Zellen hoch genug sein. Wie hoch die Dosis tatsächlich sein muss, um nachweisliche effekte erzielen zu können, ist aber noch offen.
Nahrungsmittel mit hohem Spermidingehalt
Auch wenn Spermidin zuerst in der menschlichen Samenflüssigkeit nachgewiesen wurde, ist es nicht notwendig Sperma im großen Maßstab zu sich zu nehmen. Die Substanz steckt nämllich auch in vielen Nahrungsmitteln – vor allem Weizenkeimen, Sojabohnen, reifem Käse, Kürbiskernen, Pilzen, Äpfeln, Birnen oder Mais sind reich daran.
Hinweis: Der Spermidingehalt in menschlichem Samenplasma (also im zellfreien Ejakulat) beträgt im Mittel 31 Milligramm pro Liter. Bei Weizenkeimen liegt der Wert zum Vergleich bei 243 mg/kg, bei getrockneten Sojabohnen bei 207 mg/kg, bei Kürbiskernen bei 104 mg/kg, bei Erbsen bei 46 mg/kg und bei Mais bei 32 mg/kg im Durchschnitt.
Bisher gibt es noch kein zugelassenes Arzneimittel auf der Basis eines Wirkstoffes Spermidin, sondern lediglich Nahrungsergänzungsmittel.
Nahrungsergänzungsmittel sind Konzentrate aus zum Beispiel Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, Ballaststoffen und/oder anderen Substanzen, die die Nahrung ergänzen sollen. Sie werden als Kapseln, Tabletten, Pulver oder Ampullen angeboten. Ihre Befürworter behaupten, dass sie im Körper eine bestimmte, häufig vorbeugende oder stärkende, Wirkung entfalten.
Die meisten Spermidin-Supplemente basieren auf Weizen oder Soja. Es gibt allerdings auch vegane, gluten- und laktosefreie Nahrungsergänzungsmittel mit hochdosiertem Spermidin, das zumeist aus dem Mehl von Buchweizenkeimen gewonnen wird.
Nahrungsergänzungsmittel zählen rechtlich übrigens zu den Lebensmitteln und benötigen daher – anders als Arzneimitteln – keine behördliche Zulassung.
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Quellen:
¹ Higher spermidine intake is linked to lower mortality: a prospective population-based study (Ch. Ruckenstuhl et al. in The American Journal of Clinical Nutrition, Volume 108, Issue 2, August 2018, Pages 371–380) DOI: https://doi.org/10.1093/ajcn/nqy102
² Novel aspects of age-protection by spermidine supplementation are associated with preserved telomere length (E. Ponimaskin et al. in GeroScience volume 43, pages 673–690; 2021) DOI: https://doi.org/10.1007/s11357-020-00310-0
³ Spermidine: Datenblatt bei Sigma-Aldrich
Außerdem: www.deutschesgesundheitsportal.de
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